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Die Geschichte des Boxsports [MMA-Serie]

  • Autorenbild: versus
    versus
  • 2. Mai 2023
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 27. Juli 2024

Als nächsten Eintrag in unsere MMA-Serie widmen wir uns dem Grundbaustein des MMA-Standkampfes schlechthin: Dem Boxen. Bevor wir jedoch auf Training und Techniken eingehen, wollen wir unserem selbstauferlegten Bildungsauftrag nachkommen und werfen in diesem Einführungsartikel einen Blick auf die lange und bewegte Geschichte des Boxsports. Heute ist es eine weit verbreitete Sportart, die einige der berühmtesten Sportler der Welt hervorgebracht hat. Aber nicht nur der körperliche Aspekt, sondern auch die kulturelle Einbettung des Boxens in Literatur, Alltagssprache und anderen Kunstformen macht es zu einem interessanten Gegenstand für eine Betrachtung mit einem geisteswissenschaftlichen Spin.


von versus


Zuallererst einmal zu des Pudels Kern: Boxen ist eine Kontaktsportart, bei dem zwei Kontrahenten nur mit ihren behandschuhten Fäusten kämpfen und ihren Gegner von der Hüfte aufwärts in einem speziell dafür vorgesehenen Ring schlagen; der Wettstreit findet in kurzen Abfolgen von Kämpfen, die Runden genannt werden, und nach genauen Regeln statt, die unter anderem die Gewichtsklassen und die Dauer des Kampfes festlegen.

Die Boxer, Akrotiri, ca. 16 Jhd. v. Chr.

Das Boxen hat sich in verschiedenen geografischen Gebieten und Kulturen in unterschiedlichen Formen entwickelt. Global gesehen fallen unter den Begriff “Boxen” eine Reihe von Kampfsportarten, bei denen zwei Kontrahenten mindestens mit den Fäusten kämpfen und je nach den Regeln auch andere Aktionen wie Tritte, Ellbogen, Knie oder Kopfstöße einsetzen. Einige der heute praktizierten Arten sind englisches Boxen, Bareknuckle Boxing, Kickboxen, Muay-Thai, Lethwei oder Savate. Die Techniken des Boxens wurden in viele Kampfsportarten und Selbstverteidigungstechniken integriert, so eben auch in unser MMA.


Frühgeschichte


Ringen und Boxen sind zwei der ältesten Sportarten, deren Aufzeichnungen bis ins vierte Jahrtausend vor Christus nach Ägypten und bis in den Orient zurückreichen. Die früheste Erwähnung eines Boxkampfes in der Neuzeit stammt aus dem Jahr 1681 in England: Der Herzog von Albermarle bemühte sich um die Erfüllung des Klischees des hedonistischen Adligen und organisierte einen Kampf zwischen seinem Butler und seinem Metzger. Bereits im 18. Jahrhundert wurden Kämpfe um Geld ausgetragen (damals noch ohne Handschuhe), und die Zuschauer schlossen Wetten ab. Diese Kämpfe führten teilweise sogar zum Tod der Gegner.


Die früheste bekannte Darstellung jeglicher Form des Boxens stammt von einem sumerischen Relief im Irak aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Diese frühen Darstellungen aus dem Nahen Osten und Ägypten zeigten Wettkämpfe, bei denen die Kämpfer entweder nackt waren oder ein Band um die Hand gewickelt trugen.


Der Brauch, Handschuhe zu benutzen, findet sich auch auf Kreta und im antiken Griechenland wieder, wie es in Homers Ilias aus dem 8. Jahrhundert vor Christus beschrieben wurde:

Zusammengegürtet standen die beiden Kontrahenten in der Mitte des Zirkus, hoben ihre kräftigen Hände, stürmten aufeinander zu und verschränkten ihre starken Arme ineinander. Ihre Kiefer knirschten entsetzlich, und der Schweiß floss aus allen Gliedern. Der göttliche Aepeus stürzte sich auf seinen Rivalen, der ihn erspähte, und Euryalus hielt nicht lange durch, denn seine schönen Glieder wurden ohnmächtig. Wie ein Fisch an das mit Algen bedeckte Ufer springt und sofort von den schwarzen Wellen bedeckt wird, so sprang Euryalos, als er den Schlag erhielt, zurück. Aber der großmütige Aepeus nahm ihn bei den Händen und hob ihn hoch; seine Gefährten umringten ihn und trugen ihn aus dem Zirkus - er schleppte sich, spuckte schwarzes Blut und sein Kopf hing zur Seite; sie setzten ihn ohnmächtig zwischen sich und gingen, um den Doppelbecher zu holen. (Gesang 23, Vers 676)

Im Jahr 688 v. Chr. wurde das Boxen in die 23. Olympischen Spiele der Antike aufgenommen. Auch im antiken Rom wurde der Boxsport schon früh praktiziert, doch mit dem Aufkommen des Christentums wurde er in ganz Europa praktisch abgeschafft. Im Gegensatz zu Europa hat sich der Boxsport in Asien mit Muay Boran weiter verbreitet.


Im 17. Jahrhundert, zeitgleich mit der Expansion des britischen Empire und Frankreichs nach Asien, hielt der Faustkampf Einzug in England, wo er den Namen “Boxen” erhielt, während in Marseille Seeleute unter dem Einfluss des südostasiatischen Boxens begannen, das “Savate” zu entwickeln.


Die Ära des Bare-Knuckle-Boxens


Das Wort "Boxen" wurde in England bereits im 16. Jahrhundert als Bezeichnung für einen Faustkampf verwendet. Die erste Erwähnung eines Boxkampfes als sportlicher Wettkampf zwischen zwei Gegnern stammt jedoch aus dem Jahr 1681, während die erste Verwendung des Wortes "Boxen" für den Sport auf 1711 zurückgeht.


Im 18. Jahrhundert wurde das Boxen im Vereinigten Königreich und seinen Kolonien zu einer weit verbreiteten Sportart und gelangte so nach Amerika. Zwei Jahrhunderte lang wurden die Kämpfe ohne Handschuhe (bare-knuckle) und ohne Zeitbegrenzung ausgetragen, um Wettspektakel zu veranstalten, und bildeten eine sehr gewalttätige Praxis, bei der die Kämpfer in der Regel schwer verletzt oder getötet wurden. Der Ring, den die Zuschauer um die Kämpfenden bildeten, war Namensgeber für die noch heute übliche Kampffläche.


In den ersten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts traten in London selbsternannte "Meister der Verteidigung" auf. 1719 erklärte sich einer dieser "Meister", der Brite James Figg, zum Champion von England und forderte jeden Weißen heraus, ihn in dem von ihm im Greyhound Inn in Thame, Oxfordshire, und später in London errichteten Amphitheaterring zu besiegen. Es wird geschätzt, dass Figg zwischen 1719 und 1730 oder 1734 270 Kämpfe bestritt und alle bis auf einen gewann. Figg verstarb 1734 nach einem Kampf gegen einen Gegner mit dem ominösen Namen “Death”.


Die Broughton-Regeln


Die Broughton-Regeln von 1743

Jack Broughton war der erfolgreiche Nachfolger von Figgs. Er führte eine technische und methodische Herangehensweise an den Sport ein und optimierte Schläge und Bewegungen. Im Jahr 1741 besiegte er George Stevenson in einem 35-minütigen Kampf, an dessen Folgen Stevenson einige Tage später starb. Broughton gab daraufhin das Boxen zunächst auf, war aber später davon überzeugt, dass er selbst Regeln brauchte, die verhindern sollten, dass die Boxer irreversible Schäden davontrugen. Diese Regel stellt er am 16. August 1743 vor und brachten ihm die Anerkennung als “Vater des englischen Boxens” ein.


Diese sieben Regeln waren für die Boxer, die sich bereit erklärten, in seinem Amphitheater zu boxen, verbindlich und ähneln schon sehr den heutigen. Die Regeln legten die Pflicht fest, sich bei einem Sturz des Gegners auf die eigene Seite des Rings zurückzuziehen; das Zählen bis 30 nach einem Sturz, bis man den Kampf wieder aufzunehmen kann oder als besiegt zu gelten; dass nur die Kämpfer und ihr Team den Ring betreten durften; das Verbot privater Absprachen zwischen den Kämpfern über die Verteilung des Geldes; die Wahl von Schiedsrichtern zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Boxern; das Verbot, den Gegner zu schlagen, wenn er am Boden liegt; und die Zulassung von Schlägen nur oberhalb der Taille.


Broughton führte auch erhöhte Boxringe und die Verwendung von Handschuhen beim Training und bei Vorführungen ein, um die Schläge abzufedern. Broughtons Regeln blieben, mit einigen Änderungen, bis 1838 in Kraft, als sie durch die "London Prize Ring Rules" ersetzt wurden.


Londoner Prize Ring Rules


1838 stellte die British Pugilists' Protective Association neue Boxregeln auf, die sich schnell im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten verbreiteten. Die neuen Bestimmungen basierten auf den Regeln von Broughton und wurden als "London Prize Ring Rules" bekannt.


Erweiterungen beinhalteten: Das Verbot für die Helfer, den Gegner anzusprechen oder anzugreifen, mit dem Kopf zu schlagen, die Finger oder Nägel zu benutzen, usw. Es gab aber immer noch keine Gewichtsklassen und somit immer nur einen "Champion", der in der Regel einer der schwersten Athleten war.


Im 18. Jahrhundert waren die führenden Boxer Briten, doch im Laufe des 19. Jahrhunderts verdrängten die Vereinigten Staaten allmählich England, sowohl als Hauptaustragungsort der Kämpfe als auch als Herkunftsland der führenden Boxer.


Noch immer wurden die Kämpfe bare-knuckle ausgeführt, bis im Jahr 1882 die englischen Gerichte entschieden, dass ein Kampf mit bloßen Händen eine strafbare Körperverletzung darstellt, unabhängig davon, ob die Beteiligten damit einverstanden waren.


Am 8. Juli 1889 fand der Kampf Sullivan-Kilrain statt, der als letzter Meisterschaftskampf mit bloßen Fäusten gilt und den der Erstgenannte gewann. Es war der Amerikaner John L. Sullivan, der als Brücke zwischen dem bare-knuckle Boxen und dem Boxen mit Handschuhen gilt, da er der letzte Weltmeister des ersteren und der erste des letzteren war.


Die Ära des Boxens mit Handschuhen und die Queensberry-Regeln


Boxen. Zwiebelt trotz Handschuhen.

Die zwölf Queensberry Regeln gehen auf den Marquess of Queensbury zurück. Sie legten fest, dass die Boxer Handschuhe tragen mussten, dass die Runden drei Minuten dauern sollten, mit einer einminütigen Pause dazwischen, dass der am Boden liegende Boxer zehn Sekunden angezählt werden musste und dass es verboten war, den Gegner zu packen, zu schubsen oder zu umarmen.


Bei den Olympischen Spielen 1904 in St. Louis, USA, wurde Boxen als olympische Sportart aufgenommen und in die sieben klassische Kategorien eingeteilt: Schwergewicht, Mittelgewicht, Weltergewicht, Leichtgewicht, Federgewicht, Bantamgewicht und Fliegengewicht.


Nach der langen Dominanz der Briten, haben Amerikanische Boxer den Weltboxsport dominiert, insbesondere im Schwergewicht, wo sie die meisten Titel errangen. Von den 115 Profi-Titeln im Schwergewicht, die von 1885 bis Ende 2008 errungen wurden, gingen 81 auf das Konto US-amerikanischer Kämpfer. Zu den bekanntesten gehören Jack Dempsey, Joe Louis, Rocky Marciano, Archie Moore (Rekord von 141 Knockouts), Muhammad Ali, Joe Frazier, George Foreman und Mike Tyson.


Im Laufe des 20. Jahrhunderts kamen neue Gewichtsklassen hinzu und ihre Limits wurden geändert, so dass die Spanne vom niedrigsten Gewicht, dem Minimalgewicht oder Strohgewicht, bis zum höchsten Gewicht, dem Superschwergewicht, reicht.


Auch die Länge der Kämpfe und der Runden wurde geändert. Im Profiboxen ergriff der World Boxing Council 1982 die Initiative, der sich später auch die anderen Organisationen anschlossen, die Länge der Titelkämpfe auf zwölf Runden - zuvor waren es fünfzehn - zu reduzieren, nachdem der Boxer Duk Koo Kim in einem in der 14. Runde abgebrochenen Kampf gegen den Champion Ray "Boom Boom" Mancini an einem Hirnschaden gestorben war.


Was bleibt


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Boxsport einen langen Weg von seinen Wurzeln im antiken Griechenland und Rom bis zu der modernen Version, die wir heute kennen, zurückgelegt hat. Auf diesem Weg hat er unzählige legendäre Kämpfer, denkwürdige Kämpfe und eine reiche Geschichte hervorgebracht, die bis heute nachwirkt. Aber über die Schläge und die Körperlichkeit des Sports hinaus hat uns das Boxen auch eine Fülle von Weisheiten und Einsichten in die menschliche Natur vermittelt sowie eine Vielzahl von farbenfrohen Redewendungen und Ausdrücken, die Teil unserer Alltagssprache geworden sind. Ob man nun ein Fan des Sports ist oder nicht, es ist klar, dass der Boxsport unsere Kultur unauslöschlich geprägt hat und auch in Zukunft noch Faszination auf viele Generationen ausüben wird.



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