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Eine Studie in Scharlachrot & Das Zeichen der Vier - Sir Arthur Conan Doyle [Buch]

  • Autorenbild: versus
    versus
  • 2. Jan. 2023
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 27. Juli 2024

In meiner Kindheit hielt ich Sherlock Holmes für eine historische Person. Der fiktive Kern der gleichnamigen Romanreihe schmälert jedoch nicht die intellektuelle Leistung, die der Autor, Sir Arthur Conan Doyle, aus zweiter Hand seinem Titelhelden mitgibt. In dieser Rezension wollen wir uns die Sonderausgabe des Coppenrath-Verlages ansehen, der die ersten beiden Sherlock-Romane "Eine Studie in Scharlachrot" und "Das Zeichen der Vier" umfasst.


von versus

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Sherlock Holmes ist wie Achilles oder, moderner, James Bond Teil des westlichen Heldenkanons. Sein Auftreten mit Deerstalker-Mütze und seine Phrasen wurde unzählige Male - parodierend so wie anerkennend - in den unterschiedlichsten Medien referenziert und bleiben durch eine Vielzahl von Hommagen und Adaptionen in der Populärkulur allgegenwärtig. Grund genug um sich mal mit den Primärtexten auseinanderzusetzen und die beste Möglichkeit bietet die wunderschön aufbereitete Schmuckausgabe des Coppenrath-Verlags, mit ihren kunstvoll gestalteten Beilagen, um ins viktorianische England gesogen zu werden.


Der Autor


Sir Arthur Conan Doyle (1859 - 1930) schuf den Prototyp aller modernen Detektive: Den unnachahmlichen Sherlock Holmes. Sein Detektiv wandte die wissenschaftliche Methode an: Es ist ein großer Fehler, Theorien aufzustellen, bevor man Daten hat. Andernfalls kann man die Daten leicht verzerren, um sie der Theorie anzupassen.


In seinen späteren Jahren widmete sich Conan Doyle ganz dem Übernatürlichen und verbrachte seine Zeit und sein Vermögen damit, andere vom Übernatürlichen zu überzeugen, oft zum Nachteil seines Rufs. 1922 veröffentlichte Conan Doyle das Buch "The Coming of the Fairies", in dem er anhand einer Reihe von Fotografien, die Bilder von Feen beweisen wollte. Dies ist vor allem aus heutiger Sicht mehr als peinlich, wenn man sich die offensichtlich gestellten Originalbilder ansieht [Link].


Obwohl er davon träumte, mit seinen historischen Romanen literarische Anerkennung zu finden, war es schließlich der Kriminalroman, der Conan Doyle den Weg in die Geschichte ebnete. Die Untersuchungen von Sherlock Holmes, die er aus finanzieller Not heraus zu schreiben begann, erlebten einen populären Triumph, der seine Erwartungen weit übertraf. Dennoch schrieb er vier Romane - der bekannteste davon ist "Der Hund von Baskerville" - und 56 Kurzgeschichten, die als bedeutende Innovation des Krimigenres gelten und die Figur des Detektivs populär machten.


Der Plot


Inhaltsverzeichnis zu "Studie in Scharlachrot" [Quelle: Webshop Verlag Coppenrath]

Die erste Geschichte, "Eine Studie in Scharlachrot", ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil handelt von Dr. Watsons allererster Begegnung mit Sherlock Holmes in einem Labor. Sie sind beide Ende zwanzig. Dr. Watson ist gerade von seinem Dienst als Militärarzt in Indien zurückgekehrt und sucht eine Wohnung. Sherlock Holmes hat eine kleine Wohnung in der Baker Street 221b entdeckt, und die beiden vereinbaren, sich am nächsten Tag an dieser Adresse zu treffen, wo sie dann zusammen wohnen können. Die beiden - sehr unterschiedlichen - Männer ziehen zusammen, und schon bald trudelt der erst Fall ein. Ein Mann wird ermordet, und dies bringt Sherlock Holmes auf die Spur eines Mordes, der mit Ereignissen verbunden ist, die viele Jahre zuvor in Utah, USA, stattgefunden haben.


Der zweite Teil ist eine Rückblende und spielt eben in Utah bei den Mormonen, wo eine Liebesbeziehung zwischen zwei jungen Leuten und der Brauch der Mehrehe für Dramatik sorgen und mit einem Rachemord in London enden. Diese Tangente ist etwas langatmig, aber dafür wird man mit einer epischer Rachegeschichte belohnt, die ein eigenes Buch sein könnte.


Die zweite Geschichte, "Das Zeichen der Vier", wurde im Jahr 1890 veröffentlich. Sherlock Holmes und Dr. Watson begeben sich auf die Suche nach dem vor Jahren verschwundenen Vater von Mrs. Morstan und dessen aus Perlen bestehenden Schatzes. Als der obligatorische Mord den Fall verkompliziert gerät ihr Abenteuer, eine unschuldige Frau zu schützen, zunehmend in Gefahr. Holmes und Watson versuchen herauszufinden, wer für den Mord verantwortlich ist, der im Rahmen dieser Schatzsuche von den indischen Kolonien nach England verübt wurde.

Die "Brooklyn Nine-Nine"-Referenz konnte ich mir nicht sparen.

Die Erklärung wie der Mörder zu dem Schatz kam war, wie der Mormonen-Exkurs in "Eine Studie in Scharlachrot", sehr in die länge gezogen. Auch wenn es seine Rachegelüste natürlich für uns Leser seine Tat nachvollziehbarer macht, da man Einsicht darin bekommt, was der Gegenspieler alles durchleiden musste, nur um am Ende dann beraubt zu werden.


Der Aufbau


Die Perspektive der Erzählungen ist dabei besonders faszinierend. Die Abenteuer Sherlocks werden von von seinem Partner Watson aus Ich-Erzählerperspektive niedergeschrieben. Dies führ dazu, dass Holmes Bezug auf diese Texte nimmt, die man gerade selbst liest und diese bisweilen auch als zu unsachlich kritisiert. Womit Sir Arthur Conan Doyle seinen Titelhelden seine eigenen Texte kritisieren lässt. Ein ziemlich cleverer und unterhaltsamer Metahumor.


Dies Kulminiert in den letzten Absätzen von "Eine Studie in Scharlachrot", in denen Holmes seine zu Beginn geäußerte Annahme, dass nur die Polizei und nicht er die Lorbeeren für den Fall durch die Zeitung einheimsen werden, bestätigt sieht. Watson wirft jedoch ein, dass er alles niedergeschrieben hat und die Nachwelt so von seinem Genius erfahren wird und endet mit dem Zitat von Horaz: "Populus me sibilat, at mihi plaudo ipse domi siml ac nummos contempar in arca." - "Das Volk pfeift mich aus, aber ich klatsche mir selbst zu Hause Beifall, wenn ich die Münzen in meiner Kiste betrachte."


"Das Zeichen der Vier" weist viele strukturelle und inhaltliche Ähnlichkeiten mit dem vorherigen Buch auf. Der Polizeiinspektor Athelney Jones ist, wenn möglich, noch inkompetenter als seine früheren Kollegen: Er verhaftet fast jeden Verdächtigen so schnell er kann, nur um danach zu prüfen, ob es genügend Beweise gibt. Wieder einmal befasst sich Sherlock Holmes mit einem Fall, der seinen Ursprung im Ausland hat (im vorigen Buch in den Vereinigten Staaten und in diesem Buch in Indien). In beiden Büchern gibt es auch eine große Rückblende, die einige Kapitel einnimmt, in der der Mörder seine Seite der Geschichte erzählt, anstatt sich als der wahre Bösewicht zu erweisen.


Beispiel der liebevollen Illustrationen [Quelle: Webshop Verlag Coppenrath]

Eine neue Enthüllung in "Das Zeichen der Vier" ist Sherlocks Gebrauch von Drogen wie Kokain (damals im Vereinigten Königreich legal) zwischen den Fällen, um geistige Stimulanz zu finden. Dies ist meiner Meinung nach bemerkenswert, da man davon ausgehen könnte, so ein Verhalten sei damals sogar moralisch noch ächtenswerter gewesen als heue, aber Arthur Conan Doyle hat von allen Protagonisten seinen Helden zu einem Konsumenten gemacht. Watson findet den Konsum sehr unangenehm aber hat erst nicht den Mut, Sherlock deswegen anzusprechen; ironischerweise erst dann, als er selbst ein paar Wein intus hatte.


Fazit


Als jemand der absolut kein Krimifan ist, sind die Bücher um Sherlock Holmes die einzigen Genrevertreter, zu denen ich mich hinreißen lassen kann. Dies liegt unter anderem an der enormen kulturellen Signifikanz, die bestimmte Handlungsmerkmale der Geschichten beinahe schon zum westlichen Grundwissen zählen lassen.


Die Geschichten an sich waren überraschend modern geschrieben. Dazu zähle ich die Erzählsprünge in die Vergangenheit und die Tatsache, dass die Mörder nachvollziehbare Motive hatten; also keine moralische vereinfachte Schwarz-Weiß-Malerei betrieben wird, wie zu dieser Zeit sonst üblich.


Die Schmuckausgabe des Coppenrath-Verlags, mit seinen liebevollen und immersiven Beilagen, hebt das Leseerlebnis entsprechend an und vor allem diese Ausgabe zählt nun zu meinen wertgeschätztesten in meiner Sammlung. Wir empfehlen auch, sich die anderen Schmuckausgaben des Verlags anzusehen, sollten literarische Klassiker in ausgesprochen edler Aufmachung dem persönlichen Geschmack entsprechen. Und das sollte eigentlich bei jedem der Fall sein.


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