Edward VII - Richard Davenport-Hines [Buch]
- versus
- 5. Dez. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Juli 2024
Taschenbücher sind einfach immer noch eine unschlagbare Alternative zum Griff zum Smartphone, beispielsweise in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit. Irgendwie ist mit diese Binsenweisheit über die letzten Jahre jedoch abhanden gekommen und versuche nun bewusst wieder mehr Bücher im Taschenformat in meinen Alltag zu integrieren.
von versus

Das große Comeback der Taschenbücher kam bei mir während eines Kurztrips nach London auf. In meinem Gepäck hatte ich nur eine Ausgabe der Geo Epoche (themennah "Das Britische Empire") und meine derzeitige Lektüre, eine Sonderausgabe von Sherlock Holmes, war mir zu Wertvoll für die Reise. In der Klaustrophobie-induzierenden Londoner Tube war mir das große Format der Geo Epoche jedoch zu umständlich. Und ich will ganz ehrlich sein: Man hat in diesem glorifizierten Abwasserrohr auch keinen Handyempfang. Nach einem obligatorischen Besuch eines Waterstones gleich nach Ankunft, sprang mir eine Präsentationswand mit Bücher aus der Penguin Monarchs-Reihe entgegen. Nach einer Wicki-artigen Denkpause ging mir ein Licht auf, da damit gleich zwei meiner Probleme gelöst werden würden. Zum einen hatte ich endlich mobilen Lesestoff für die Arschtasche und zweitens steige ich vielleicht endlich mal hinter die Thronerbfolge der englischen Geschichte, die bisher immer ein Buch mit sieben Siegeln für mich war. Es gibt einfach zu viele Monarchen mit den gleichen Allerweltsnamen in dieser Sippe. Acht Edwards, sechs Georges, vier Williams. Aber da mich britische Geschichte sehr interessiert, hab ich das Gefühl, ich sollte vielleicht doch eine Handvoll davon kennen.
Aus der großen Auswahl dieser erwähnten Präsentationswand habe ich dann instinktiv zur König Edward VII-Ausgabe gegriffen. Das liegt lediglich daran, dass diese Epoche rein stilistisch (Innenarchitektur, Mode, …) meine favorisierte ist. Downton Abbey hat diesbezüglich seinen Schaden bei mir hinterlassen.
Inhalt
Nach belanglosen Anekdoten jetzt aber mal zum Inhalt: Sprachstilistisch erinnert es mich sehr an die schulstofforientierten Sachbücher, die wir damals im Leistungskurs Geschichte gelesen haben. Es reiht sich also historischer Fakt an Fakt, ist aber trotzdem nicht komplett trocken geschrieben. Nur etwas.
Was es etwas blumiger gestaltet hätte, wäre, wenn der Autor mehr auf die Momente in Edwards Leben eingegangen wären, bei denen man sich ein aspiriertes "What the fuck" nicht verkneifen kann. Das fängt schonmal auf der ersten Seite des ersten Kapitels an (Seite 3):
[Edward] was the queen’s [Victoria] second child in twenty-two months of marriage: […] She felt depressed for a year after the birth, and found breast-feeding repulsive. The royal heir was wet-nursed by a madwoman who subsequently murdered her own six children.
Der Autor Richard Davenport-Hines kann uns diesen letzten Satz doch nicht einfach so hinknallen, ohne uns mehr darüber zu erzählen. Mir ist bewusst, dass es etwas off topic wäre, aber das "True Crime"-Genre boomt doch sowieso derzeit. Wieso nicht etwas Kapital daraus schlagen. What the fuck.
Außerdem fällt mir auf, dass ich den Namen des Autors erst im sechsten Absatz erwähnt habe. Richard Davenport-Hines. So heißt er. Genau.
Als nächstes wird uns erzählt, dass Edwards Privatsekretär bei einer Standing Ovation während eines Opernbesuchs tot umgefallen ist (Seite 52):
Ellis proves sometimes overweening, and had spells of the monarch’s disfavour before falling dead at the Royal Opera in 1907 while the auditorium was ringing with cheers at the king’s arrival.
Die Art wie R.D.H. (ich tippe seinen Namen nicht noch mal ab. Wobei sein Name kürzer ist als diese Bemekerung. Ich hätte ihn also ruhig abtippen können.) uns das random in einem Halbsatz hin klatscht ist eigentlich aber auch schon selbst comedy gold. Wenn auch so nicht beabsichtigt. What the fuck.
Nach einer Aufzählung der widersprüchlichen Facetten König Edwards Charakters stoßen wir auf dieses schlüpfrige Detail (Seite 67):
He enjoyed Puccini. In private he liked risqué jokes, especially involving the phallic symbolism of umbrellas, but he disliked broad humour in public. He admired adulterers who were discreet. […]
Hey R.D.H, überspiel nicht einfach diese seltsam spezifische Anspielung auf einen Regenschirm-Peniswitz. Wir wollen ihn hören. Auch meine 2-Minuten Google-Recherche hat leider nichts zu Tage gebracht. Äußerst unbefriedigend. Wie ein Regenschirm-Penis? Ging vielleicht so der Witz? Wir werden es nie erfahren. What the fuck.
Zuletzt könnte für den kontinentalen Leser die ständigen Erwähnungen obskurer englischer Politiker und Personen des öffentlichen Lebens etwas frustrierend sein, die für Engländer wahrscheinlich jedoch zum Grundwissen gehören und deshalb im Buch auch nicht näher erläutert werden.
Äußerliches
Ästhetische Kontinuität punktet immer und so gefällt, dass die Bücher der Reihe stets mit der originalen Unterschrift (bzw. Siegel) des abgehandelten Monarchen beginnen, worauf der Stammbaum folgt. Der übrigens lebenswichtig ist in dieser Jauchegrube des aristokratischen Inzest und oft zu Rate gezogen werden muss.

Außerdem sind auf den Umschlägen stilistisch gerade Linien aufgedruckt, die die Vermutung nahe legen, dass die Bücher, sobald man sie nebeneinander legt auch einen großen Stammbaum ergeben. Der Penguin-Verlag weiß schon, wie man sein Sammler-Publikum anfixt.
Fazit
Ich habe gehofft mithilfe dieses Buches immersiv in die Edwardianische Epoche eintauchen zu können, aber dazu war es leider etwas zu faktisch und zu wenig sprachlich ausgeschmückt, wie bereits erwähnt, ähnlich eines Schulbuches.
Fraglich ist es nur noch, ob jedes Buch der Penguin Monarchs-Serie so ist, da jede Ausgabe natürlich von einem anderen Autor verfasst wurde. Es gibt nur einen Weg das rauszufinden. Mein Review zur Athelstan-Ausgabe folgt.
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