Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur - Andrea Wulf [Buch]
- versus
- 11. Juni 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Juli 2024
In „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ von Andrea Wulf begleitet man einen der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten der Geschichte durch sein aufregendes Leben und Vermächtnis. Geschickt verwebt Wulf Biografie, Wissenschaft und Abenteuer und bietet eine fesselnde Darstellung von Humboldts unstillbarer Neugier und seinem tiefgreifenden Einfluss auf die Art und Weise, wie wir heute die natürliche Welt verstehen. Mit lebendiger Sprache und akribischer Recherche erweckt sie die Abenteuer dieses bahnbrechenden Entdeckers zum Leben, dessen revolutionäre Ideen unser Verständnis der Zusammenhänge in der Natur bis heute prägten und somit den Grundstein für den modernen Umweltschutz legten.
von versus
Zur Person: Alexander von Humboldt war ein preußischer Universalgelehrter, Geograph, Astronom, Humanist, Naturforscher und Entdecker. Er gilt als einer der Begründer der Ökologie und der Geographie als empirische Wissenschaft.

Zwischen 1799 und 1804 bereiste Humboldt Süd- und Mittelamerika und war der erste Forscher, der den Kontinent auf seinen Expeditionen wissenschaftlich beschrieb. Was er während seiner Reisen erlebte, fasste er in einem gigantischen Werk zusammen. Humboldt war der erste, der die Vermutung aufstellte, dass die Landmassen beiderseits des Atlantischen Ozeans (insbesondere Südamerika und Afrika) einst miteinander verbunden waren. In seinem Werk Kosmos, das er am Ende seines Lebens schrieb, versuchte er, alle verschiedenen Wissenschaftszweige zu vereinen.
Humboldts Amerikareise gilt als sehr wichtig für die Entwicklung der Naturwissenschaften. Der Bericht berührt fast das gesamte Spektrum des damaligen menschlichen Wissens: Humboldt untersuchte die Entstehung und den Verlauf tropischer Stürme, die Zunahme der magnetischen Intensität vom Äquator zu den Polen, erklärte vulkanologische Phänomene, untersuchte den Zusammenhang zwischen geografischer Umgebung und Pflanzenverbreitung und leistete Pionierarbeit bei der Verwendung von Isothermen.
Humboldt wird im 21. Jahrhundert zunehmend als Wegbereiter der Ökologie gesehen, da er in vielen seiner Arbeiten die gegenseitige Beeinflussung der Arten und der von verschiedenen Wissenschaftszweigen untersuchten Phänomene betonte. So kritisierte er bereits während seiner Zeit in Amerika die großflächige Abholzung der Wälder und sagte katastrophale Folgen für das Klima voraus.
Als der deutsche Naturforscher im August 1804 nach mehr als fünfjähriger Abwesenheit in Bordeaux eintraf, war er neben Napoleon der berühmteste Mann der Welt. Humboldt hielt sich fast zwei Jahrzehnte lang hauptsächlich in Paris, der europäischen Hauptstadt der Kultur und Wissenschaft, auf, um seine Expedition auszuwerten und zu veröffentlichen. In Paris fand er nicht nur die damals berühmtesten französischen Wissenschaftler als Mitarbeiter, sondern auch Kupferstecher für seine Karten und Illustrationen sowie Verleger, die sein Werk veröffentlichten.

Während seiner Zeit in Paris erlebte der gesellige Naturforscher das außergewöhnliche Leben der Metropole, in der er unter anderem auch Bekanntschaft mit dem Revolutionär Simón Bolívar schloss. Tagsüber arbeitete er an der Ausarbeitung seiner Forschungen, während er abends in den Salons der Pariser Gesellschaft auftauchte, wo er mit seiner redseligen Art meist die Gespräche dominierte.
Neben seiner Leidenschaft für die Naturwissenschaften brachte ihn seine Freundschaft mit Goethe dazu, wissenschaftliche Aspekte mit Gefühl und Kunst zu verbinden, was dazu führte, dass er auch von der breiten Öffentlichkeit verstanden und geschätzt wurde. Er propagierte eine säkulare und ganzheitliche Betrachtungsweise der Natur, sowohl lokal als auch global. Er machte auf die schädlichen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt, die Abholzung von Wäldern, Wasserwerke und Industrien aufmerksam. Er wandte sich gegen Sklaverei, Kolonialismus und intensive Ausbeutung. Mit seiner unbändigen Redegewandtheit und Kommunikationsfreudigkeit sowie seinem umfassenden Wissen stand er stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, und seine Vorlesungen waren immer gut besucht. Er verbreitete sein Wissen in größtmöglichem Umfang und betrachtete den Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse als pflichtgemäß und ohne politische oder wirtschaftliche Grenzen. In seinen Werken achtete er darauf, Karten und Illustrationen von den besten Kupferstechern zu verwenden, die auch nicht nur Zierde, sondern wissenschaftlicher Natur waren.
Vermächtnis

Die Ehrungen, die Humboldt zu Lebzeiten zuteil geworden waren, setzten sich nach seinem Tod fort. Nach Humboldt sind mehr Arten benannt als nach jedem anderen Menschen. Größen wir Charles Darwin und Henry David Thoreau nennen ihn als direkten Einfluss auf ihre Arbeit.
Der erste hundertste Geburtstag Humboldts wurde am 14. September 1869 mit großer Begeisterung und Paraden in der Neuen und der Alten Welt, so in New York, Buenos Aires, Paris und Berlin, gefeiert. Ihm zu Ehren wurden zahlreiche Denkmäler errichtet, wie z. B. der Humboldt-Park in Chicago.
Humboldt war Teil von mehr als 150 Gesellschaften für Wissenschaften und Bildung und wurde mit drei Doktorgraden ausgezeichnet.
Rezension

Wulfs akribische Recherche und angenehmer Erzählstil gibt Humboldt - von der Mehrheitsgesellschaft heutzutage doch sehr in Vergessenheit geraten - den ihm gebührenden Platz in der Geschichte der Wissenschaft zurück. Die Darstellung Humboldts Persönlichkeit ist ausreichend komplex und es wird sein nachhaltiger Einfluss auf die moderne Wissenschaft und den Umweltschutz hervor gehoben.
Wulfs Schreibstil ist klar und der Erzählfluss angenehm gleichmäßig und leicht verdaulich. Die Art und Weise, wie sie Humboldts Geschichte mit den breiteren historischen und Themen und Personen der Zeit verwebt, macht das Buch zu mehr als nur einer Biographie. Wobei berechtige Kritik auch daran geäußert werden kann, dass die Kapitel über berühmte Personen auf die Humboldt Einfluss hatte (Thoreau, Darwin, Marsh, Haeckel und Muir) mit um die 90 Seiten zu ausschweifend sind.
Es ist eine spannende Abenteuergeschichte, die die Brisanz von Humboldts Erkundungen und intellektuellem Streben einfängt. Seine wissenschaftlichen Beiträge werden für den modernen Leser zugänglich und fesselnd aufbereitet.
Insgesamt ist es dem Buch gelungen, Humboldts abenteuerlichen Geist und seine tiefgründigen Einsichten zum Leben zu erwecken, was es zu einer Pflichtlektüre für alle macht, die sich für die Geschichte der Wissenschaft, Reisen und Abenteuer interessieren.
Titel | |
Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur | |
Autor | ISBN |
Andrea Wulf | 9783570102060 |
Inhalt | |
★★★☆☆ aufschlussreich und abenteuerlich | |
Sprache | |
★★★☆☆ flüssig und einnehmend | |
Aufmachung | |
★★★☆☆ Standardlayout, Kupferstiche, farbige Bilder im Mittelteil |
Commenti